stehmann’s blog


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Anwaltschaft und Freie Software

Saturday, October 31st, 2009

Die Freiheit der Advokatur erfordert Freie Software

Ein Essay

Wovon ist die Rede?

Die Freiheit der Advokatur fordert vom Rechtsanwalt, dass er im Interesse seines Mandanten zur Verwirklichung des Rechts unbeeinflusst und frei handelt. Sie fordert, dass er sich in die Lage versetzt, unbeeinflusst und frei zu handeln.

Dies bedeutet, dass er in der Lage sein muss, die Hilfsmittel, derer er sich bedient, zu beherrschen. Er darf sich nicht von diesen beherrschen lassen. Sie dürfen ihn nicht hindern, jederzeit so zu handeln, wie er es selbst für richtig erachtet.

Software wird "Frei" genannt, wenn die Lizenz, unter der sie verbreitet wird, dem Lizenznehmer und Nutzer die Freiheiten des Verwendens für jeden Zweck, des Verstehens durch Studium des Quellcodes, des Veränderns und Verbesserns und schließlich des Weiterverbreitens auch in veränderter Version einräumt.

Freie Software ermöglicht dem Benutzer durch die gewährten vier Freiheiten, ihren Computer zu beherrschen. Unfreie Software beherrscht den Anwender.

Der Benutzer Freier Software ist nicht abhängig von den Vorgaben, Möglichkeiten und Grenzen der von ihm verwendeten Programme, sondern er kann sie nach seinen Wünschen, Bedürfnissen und Ideen anpassen und gestalten.

Vor allem kann er sie aber auch verstehen.

Die Freiheit des Verstehens und der Anpassung der Software nach eigenen Vorgaben ermöglichen dem Anwender eine Beherrschung seines Werkzeuges Computer, welche ihm von proprietärer Software vorenthalten wird. Proprietäre Software ist grundsätzlich weder veränderbar noch transparent.

Warum Freie Software in der Anwaltskanzlei?

Ein wichtiges Beispiel für die Notwendigkeit des Einsatzes Freier Software in der Anwaltskanzlei ist die Wahrung der Verschwiegenheit.

Die Verschwiegenheitspflicht (§§ 43a II BRAO, 203 StGB, 2 BORA) ist wesentlich für die Erfüllung der Aufgabe des Rechtsanwaltes in einem Rechtsstaat. Die Erfüllung dieser wesentlichen Pflicht erfordert den Schutz der Daten des Mandanten.

Diesen Schutz kann der Anwalt bei Nutzung proprietärer Software nicht eigenverantwortlich gewährleisten. Er ist vielmehr abhängig von der Kompetenz und Seriösität seines Lieferanten. Der Anwalt ist nicht nur eventuell mangels hinreichender eigener Kompetenz faktisch, sondern grundsätzlich außer Stande, die Qualität und Sicherheit der von ihm eingesetzten Software zu prüfen. Er kann sie nicht einmal von einem Fachmann seines Vertrauens prüfen lassen. Jede Kontrolle der von ihm eingesetzten Sofware wird ihm verwehrt.

Dies ist aus Prinzip anders bei Freier Software. Deren Funktionsweise und Sicherheit kann durch Studium des Quellcodes jederzeit nachvollzogen und beurteilt und, wenn nötig, auch verbessert werden.

Da viele kritische Blicke auf den Quellcode geworfen werden können, werden Sicherheitslücken in Freier Software oft schnell erkannt und in der Regel kurzfristig beseitigt.

Verwendet der Anwalt Freie Software, so ist er auch nicht abhängig von den Vorgaben und den Vorstellungen des Programmherstellers. Vielmehr kann er die Software an seine Bedürfnisse und seine eigenen Vorgaben und Vorstellungen und die von ihm erkannten Notwendigkeiten anpassen oder anpassen lassen.

Datensicherheit bedeutet aber nicht nur die Verhinderung des Zugriffs Unbefugter. Sie bedeutet vielmehr auch die nachhaltige Sicherung des jederzeitigen Zugriffs Befugter. Auch insoweit ist die Qualität und Sicherheit Freier Software aufgrund ihrer Transparenz kontrollierbar.

Da Freie Software in der Regel freie und offene Standards implementiert hat, ist der Anwalt darüber hinaus auch unabhängig vom Willen und Schicksal des Softwareherstellers in der Lage, auch mit anderen Programmen und auch nach Jahren noch auf seine Dokumente und Daten zuzugreifen und sie auszuwerten.

Dass die Unabhängigkeit vom Hersteller und Einsparpotenziale bei der Infrastruktur durch adäquat dimensionierte Systeme, sowie die Lizenzkostenfreiheit dazu betragen können, auch die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in wirtschaftlicher Hinsicht zu stärken, sei abschließend erwähnt.

Freiheit durch Vielfalt

Freie Software gibt es vom Betriebssystem und der grafischen Desktop-Umgebung, über Browser, Mailclient, Datenbankmanagementsystem, Pdf-Reader, Office-Suiten bis hin zur Kanzleisoftware für fast alle denkbaren Aufgaben und Anwendungsbereiche. Oft hat man die Qual der Wahl unter mehreren Lösungen. Jeder Anwalt kann daher für alle in einer Kanzlei anfallenden Aufgaben eine für ihn und sein Team gute Lösung finden, wobei Ausprobieren unproblematisch möglich ist.

Aus diesen Gründen erfordert die Freiheit der Advokatur den Einsatz Freier Software in Rechtsanwaltskanzleien.


veröffentlicht auch unter canzeley.de

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