FSFE supporters Vienna

Reports from the FSFE supporters group in Vienna

Freiheit ist kein Widerspruch zu fairer Entlohnung!

Es geht bei Freier Software und Freier Kultur um Freiheiten, nicht um Kosten.

Das scheint leider oft unterzugehen. Auch Leute, die an Freiheit glauben, haben den Anspruch zu überleben. Nur wenige, die sich für Freiheiten in unserer Gesellschaft einsetzen, haben den Luxus besonders wohlhabend zu sein oder für ihr Überleben nicht arbeiten zu müssen.

Leute, die beispielsweise an Freier Software arbeiten, tun das oft als Job. So entsteht vermutlich sogar am häufigsten Freie Software. Nur wird nicht jede Software mit der Absicht entwickelt anschließend Kopien oder Nutzungslizenzen zu verkaufen. Die meisten Programme werden als Auftragsarbeiten erstellt weil Leute Lösungen für Anforderungen haben wollen. Programmierer werden dabei als Dienstleister konsultiert. Der Verkauf von etwaigen Produkten spielt dabei keine Rolle. Sobald das Programm erstellt ist, ist die Arbeit finanziert und niemand hat etwas verloren, wenn fortan alle es nutzen und darauf aufbauen können. Nicht umsonst gehen selbst die weltweit führenden Softwareunternehmen immer mehr dazu über sich an Freier Software zu bedienen.

Profit trotz Freier Software

Es ist kein Zufall, dass Apple OSX auf Freier Software basierend entwickelt hat, da es einfach zu teuer gewesen wäre das Rad – in brauchbarer Qualität – völlig neu zu erfinden. Genau das wäre aber nötig gewesen, wenn sie sich nicht der umfangreichen offenen Quellen der Berkley Software Distribution bedient hätten. Im Gegensatz zu den meisten Freie Software Lizenzen lässt es die BSD-Lizenz zu, dass von der unter ihr lizensierten Software abgeleitete Werke proprietär (=unfrei) vermarktet werden. Deswegen hat Apple gerade diese Quelle angezapft.

Google ist vermutlich das prominenteste Beispiel für ein Unternehmen, dass sich mitten in die Freie Software Szene gesetzt hat und dabei zu einem der einflussreichsten Weltkonzerne wurde. Es ist bemerkenswert wie es dieses Unternehmen geschafft hat Freie Software auf eine Art und Weise zu nutzen, die es zu einem mit Apple vergleichbaren Konzern machen konnte obwohl sie noch nicht mal den billigen Apple-Weg genommen haben und tatsächlich Dinge nutzen, deren Ableitungen ebenfalls wieder öffentlich allen zugänglich sein müssen. Offensichtlich sind Freie Software und immenser wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch.

Ressourcenmanagement

Das große Problem mit einer Werknutzung, die unfrei ist, betrifft ihre Skalierbarkeit: Je komplexer die Projekte werden, umso mehr Aufwand bedeutet es nicht auf den bereits erarbeiteten Grundstock aufbauen zu können. Alle, die den Zugriff auf Werke jedweder Art beschränken, verarmen faktisch uns als Gesellschaft. Das ist aus meiner Sicht weder erstrebenswert noch notwendig.

Es ist genau genommen ziemlich dämlich bereits erarbeitete Lösungen nicht ausbauen und verbessern zu können, bloß weil wir uns als Gesellschaft aus einem irregeleitetem Bestreben um Gerechtigkeit daran hindern. Es ist offensichtlich wesentlich vernünftiger die Entwicklung begehrenswerter Lösungen zu fördern ohne dabei den Großteil der Menschheit zu beschränken und einige wenige überproportional reich zu machen, die sich dann zu allem Überfluss auch noch gegenseitig in Machtkämpfen über Patentrechtsklagen behindern.

Das Konzept, dass jemand etwas erstellt um anschließend nur jenen die Nutzung zu erlauben, die dafür bezahlen, ist lediglich eine Herangehensweise unter vielen. Erschwerend kommt hinzu, dass Institutionen und Individuen, die dieses Konzept verfolgen, in der Regel sehr schnell der Versuchung erliegen absichtliche Beschränkungen zu nutzen um noch mehr Gewinn erwirtschaften zu können. (Zum Beispiel das Vermeiden offener Standards und die damit beabsichtigte Erschwerung Alternativen einzusetzen oder der Einsatz von DRM-Mechanismen, die sogar offen den Austausch bzw. die beliebige Nutzung von Daten behindert.) Das ist üblicher Weise nicht im Interesse der Nutzer_innen. Als Nutzer bin ich nicht bereit mich – zu meinem eigenen Nachteil – auf das beschränken zu lassen, was einer anderen Instanz möglichst viel Profit beschwert.

Es steht selbstverständlich jedem frei Produkte mit beliebigen Einschränkungen auf den Markt zu bringen. Allerdings steht es mir auch frei sie abzulehnen und darauf hinzuweisen, was es bedeutet solche Produkte zu nutzen und dass ich das für eine unvorteilhafte Idee halte – selbst dort, wo das auf den ersten Blick bequemer zu sein scheint.

Persönliches Überleben

Ich bin selbst Grafiker. Dem entsprechend kenne ich natürlich die Situation, dass meine Arbeiten ein Eigenleben entwickeln können von dem ich mir nichts kaufen kann. Dennoch halte ich den Versuch meine kreativen Werke irgendwie in verkäufliche Einheiten zu zwängen für einen folgenschweren Irrtum. Meiner Meinung nach ist es selbstverständlich, dass alles, was ich irgendwann veröffentlicht habe, nicht mehr unter meiner Kontrolle steht. Versuche später noch beschränken zu wollen, was andere damit tun, greift aus meiner Sicht zu weit in unsere Freiheiten ein und behindert unsere gesamte Gesellschaft erheblich.

Wir agieren nie aus einem Vakuum. Je allgemeiner verfügbar wir unsere Kultur halten, umso reichhaltiger ist unser aller Angebot an Ressourcen, seien es Inspirationen oder auch materielle Güter. Aus meiner Sicht ist jeder Versuch Exklusivität zu erzwingen eine völlig ungerechtfertigte Angst zu kurz zu kommen.

Ich bin sehr froh über Plattformen auf denen Urheber ihre Werke veröffentlichen und frei zur Verfügung stellen können. Die Wikipedia muss niemandem mehr vorgestellt werden. Lange wurde behauptet die Qualität wäre zu schlecht für die alltägliche Verwendung. Doch inzwischen ist klar, dass sie für die meisten Bedürfnisse durchaus ausreichend ist. Und auch – inzwischen kaum noch vorhandene – unfrei erstellte Enzyklopädien glänzen nicht zuverlässig durch Qualität oder Neutralität.

In meinem Alltag erstelle ich immer wieder Vektorgrafiken, die ich in verschiedenen Gestaltungen brauche und online nicht finde. Wann immer ich solche Grafiken erstelle, lade ich sie auf Seiten wie der open clipart library hoch. Nicht alle Werke dort entsprechen allen Anspürüchen, aber letztlich hat dieses Archiv mir schon unzählige Stunden Arbeit erspart. Wieso sollte ich eine Grafik auch noch einmal neu erstellen, wenn sie bereits jemand anders in einer für mich brauchbaren Weise erstellt hat? Es gibt genügend Herausforderungen. Wir müssen uns keine zusätzliche Arbeit machen, um beschäftigt zu sein. Ähnlich toll sind freie Fotoarchive wie morguefile oder Archive mit freier Musik wie Jamendo.

Nicht immer ist es ein unmittelbarer Vorteil eigene Arbeiten anderen zur Verfügung zustellen, aber die angesammelte Vielfalt an Inhalten nützt letztlich auch mir – selbst wenn mir das vorest nicht direkt Geld bringt.

Es war einmal und ist nicht mehr …

Es ist durchaus sinnvoll Bücher zu verkaufen, so lange es für andere aufwändiger wäre sich selbst Kopien vergleichbarer Qualität anzufertigen. In diesem Szenario war es einstmals ein Dienst für die Allgemeinheit Kopien zu drucken und diese zu relativ günstigen Preisen zu verkaufen, da kulturelle Werke auf diesem Weg mehr Menschen zugänglich gemacht werden konnten. Dieses Spiel gilt mit den aktuellen Technologien nur noch selten. Datenträger oder Lizenzen jedweder Art zu verkaufen ist eine Sackgasse weil wir mit unseren heutigen Technologien die Dienstleistung der Bereitstellung von Kopien absolut nicht mehr brauchen. Es ist ziemlich absurd für etwas zu bezahlen, was wir gar nicht haben wollen. Noch dazu wenn wir selbst bessere Kopien erstellen können, denen keine gezielten Beschränkungen anhaften.

Im Laufe der Geschichte hat sich die Idee etabliert, dass nicht die Dienstleistung der Erstellung einer Kopie bezahlt wird, sondern die Arbeitszeit der Person, die das Original produziert hat. Doch genau genommen ist das selten der Fall. Firmen, die Kopien vermarkten wollten, haben Verträge mit Urhebern geschlossen, von deren Werken sie sich versprachen viele Kopien zu guten Preisen verkaufen zu können. Die Verträge mit den Urhebern waren praktisch völlig losgekoppelt vom tatsächlichen Erlös durch den Verkauf von Kopien. Die Entlohnung für die kreative Leistung hatte nichts mit dem Vertrieb von Kopien zu tun. Dem entsprechend schauten Urheber bei besonders guten Verkäufen durch die Finger. Sie konnten bestenfalls hoffen beim nächsten Mal in den Verhandlungen mit einem höheren Marktwert zu punkten…

Geld für offizielle Kopien zu verlangen, die kein Mensch braucht weil jeder selbst ohne relevante Kosten Kopien erstellen kann, gleicht einer Schutzgelderpressung: Wenn Du mir kein Geld für eine unerwünschte Dienstleistung bezahlst, dann werde ich Dich verklagen. Wenn Du meine überflüssige Dienstleistung nicht in Anspruch nimmst, mache ich Dir das Leben schwer!

Durch eine künstliche Verkrüppelung unserer Technologien (DRM) und rechtliche Grotesken soll verhindert werden, dass wir in unserem eigenen Interesse agieren können. Von immateriellen Gütern können beliebig viele Kopien erstellt werden ohne dass dabei irgendjemand weniger hat. Die Idee über die Vermarktung von Kopien Geld zu verdienen ist in vielen Bereichen schlicht nicht mehr zeitgemäß und stirbt hoffentlich rasch aus, da ihre zwanghafte Aufrechterhaltung uns zu völlig verrückten Maßnahmen zwingt.

Es war noch nie so, dass der Verkauf von Kopien die einzige Möglichkeit gewesen wäre kreative Arbeit zu finanzieren. Über eine lange Zeit hinweg war das in vielen Bereichen technisch schlicht nicht machbar. Zweifellos haben wir uns an diese Idee inzwischen trotzdem gewöhnt. Dennoch wage ich zu behaupten, dass alle, die auch jetzt immer noch darauf beharren, es zunehmend schwer haben werden. Es ist wesentlich vielversprechender die veränderte Realität anzuerkennen und andere (vielleicht sogar neue) Wege zu beschreiten. Der Verkauf von Kopien digital darstellbarer Information wird zwangsläufig sterben weil er in krassem Widerspruch zur technologischen Realität der Gegenwart steht.

Exkurs: Leistung und Gegenleistung

Zusätzlich halte ich allgemein das Konzept von Leistung für Gegenleistung für problematisch, da es unser Wirken von seinem Zweck entkoppelt. Für uns ist dann nicht mehr relevant, was wir tun, sondern nur noch, was wir dafür bekommen können. Das führt zu zahllosen Aktivitäten, die hochgradig problematisch sind. Verkürzt gesagt: Alles, was niemand ohne Gegenleistung erledigen will, sollte vermutlich besser nicht getan werden. Deswegen arbeite ich so wenig wie Möglich gegen Geld und so viel wie möglich für Projekte, die ich um ihrer selbst Willen unterstütze. Ich möchte nicht gegen wesentlich besser bezahlte Arbeitsplätze tauschen – auch wenn ich dann garantiert mehr Freizeit hätte und vermutlich größeres öffentliches Ansehen genießen würde.

Bereits vor vielen Jahren habe ich – ohne finanzielle Zukunftsperspektiven – eine sehr gut bezahlte Stelle in einem angenehmen Umfeld in einem aufstrebenden Unternehmen gegen hauptsächlich ehrenamtliche Arbeit getauscht. Ich habe es nie bereut. Es handelt sich definitiv um eine meiner besten Entscheidungen bisher. Aber dabei geht es nun wirklich nicht mehr um Freie Software, oder um offene Standards und Freie Kultur …

Mehr dazu

Allen, die auch Tipps zu wirklich tollen Büchern über Freie Kultur und Freie Software lesen möchten, denen empfehle ich meinen Bericht von einem Workshop, den ich 2013 am Solidarische Ökonomie Kongress gehalten habe. Am rechten Rand habe ich in diesem Bericht ausgezeichnete Freie Bücher verlinkt.