Digitaltechnik, die Seuche des 21. Jahrhunderts?

Es ist wie eine neue Seuche: Ca. 1,5 Milliarden Smartphones wurden 2015 verkauft!  Ihre Herstellung verbraucht eine Unmenge von Ressourcen, die zu einem nicht unwesentlichen Teil unter menschenunwürdigen Bedingungen gewonnen werden. Die Bedingungen bei der Fertigung sind unwesentlich besser. Eigentlich sollte daraus folgen, daß die digitalen Geräte möglichst lang genutzt werden. Bei Smartphones und Tablets ist aber das Gegenteil der Fall. Sie sind so konstruiert, daß eine Reparatur nicht oder nur sehr schwer möglich ist, was auch Verschleißteile wie Akku oder das Glas des Bildschirms betrifft . Die Verträge der Telefonanbieter fördern das: Im Extrem kann man jedes Jahr ein neues Smartphone haben. Da diese Geräte auch Moden unterliegen, wird der schnelle Austausch, in der Regel alle zwei Jahre, sehr breit genutzt. Die fachgerechte Entsorgung oder eine Wiederverwendung der Geräte oder der Rohstoffe finden in der Regel nicht statt. Ich kann mir kaum vorstellen, wie der Schaden für die Umwelt, der durch diese Geräte angerichtet wird, noch vergrößert werden kann.

Auch der bejammernswerte Zustand der Software verhindert keine Infektion.. Sind die Geräte wenige Jahre alt, erhält man keine Updates des Betriebssystems mehr, Sicherheitslücken bleiben offen. Nur durch neue Hardware sind die Sicherheitslücken eine zeitlang zu stopfen. Der normale Nutzer hat sich damit abzufinden, denn das, was bei Desktop-PCs oder Laptops selbstverständlich ist, daß man verschiedene Betriebssysteme installieren kann, ist schlicht nicht vorgesehen und  wird aktiv behindert. Die Entmündigung der Nutzer geht aber noch weiter. Insbesondere Smartphones sind so konstruiert, daß sie den Nutzer in umfassender Weise ausspionieren. Vergleichsweise harmlos sind dabei noch das Abgreifen der Standort-Daten durch die Telefonanbieter oder durch Anwendungen (Apps). Daß Google darüber hinaus umfassend alle Daten abgreift, an die es heran kommt, ist auch bekannt. Weniger im Blick ist aber, daß Kamera und Mikrophon der Geräte verdeckt eingeschaltet werden können; selbst die Geräte selbst können verdeckt eingeschaltet werden. Will man wirklich sicher sein, daß man nicht ausgeforscht wird, wie das z.B. bei Edward Snowden sein mußte, hilft nur Ausschalten des Gerätes, Entfernen der Batterie, Wegsperren des Gerätes in eine elektromagnetisch sichere Umgebung, Verwendung einer Einmal-Sim-Karte und Krytographie.

Die Selbstbestimmung der Nutzer wird aber noch weiter eingeschränkt, im Vergleich zum bisher Geschriebenen aber eher harmlos. Die Geräte sind fast ausschließlich mit vorinstallierter Software zu haben, von der ein Teil nicht entfernt werden kann. Bei Android-Geräten sind das in der Regel die Google-Dienste, die so ein Einfallstor für die Datensammler bieten. Will der Nutzer seine Software ergänzen, ist er in der Regel auf ein Nutzer-Konto bei Google oder Apple angewiesen. Nutzt er ein Gerät von Apple, ist der Nutzer auf Gedeih und Verderb der Zensur von Apple ausgliefert. Apple entscheidet, welche Software oder Medien überhaupt zugänglich sind. Ein besonders makaberes Beispiele ist, daß Apple z.B. die Reparatur-Anleitungen von ifixit aus seinem App-Store entfernt hat.. Daß es daran liegen könnte, daß iPhone und iTab dort immer verheerende Bewertungen in Bezug auf die Reparierbarkeit bekommen haben, ist natürlich Verschwörungstheorie.

Will der Nutzer nun Software nachinstallieren, muß er genau darauf achten, welche Rechte die App sich einräumen lassen will. Da ist dann schon mal die Taschenlampen-App, die Zugriff auf die Kontakte, Mikrofon, Kamera, GPS-Signal, … haben will. Zudem sollte er prüfen, unter welcher Lizenz die Software steht, und welche Rechte sich der Software-Anbieter sich für u.U. mit der App erzeugte Inhalte einräumen läßt. Es ist durchaus nicht die Ausnahme, daß der Anbieter sich umfassende Nutzungs- und Verwertungsrechte einräumen läßt. Ist die Software keine Freie Software, ist der Nutzer darauf angewiesen, daß die Entwickler-Firma die Software weiter pflegt und vor Allem Sicherheitslücken schließt. Speichert der Nutzer Daten auf den Servern dieser Firma, kann es sein, daß die Daten von einem Tag auf den anderen nicht mehr zugänglich sind; allerdings sind sie vorher in der Regel umfassend ausgeforscht worden.

Trotz allem gieren die Menschen nach dieser Infektion.

Aber es soll noch schlimmer kommen: Alles wird smart. 2020 soll smarte Technik schon in 50 Milliarden, 2030 in 100 Milliarden Geräten sein  (Quelle: sehr lesenswerter Artikel von Rainer Fischbach: Viel zu smart ). Damit potenzieren sich die Umweltschäden. Da diese Geräte umfassend Daten aus dem Leben der Nutzer erfassen, erwächst da eine Technik zur umfassenden Überwachung der Nutzer, die die schon vorhandene Überwachung durch Smartphones weit in den Schatten stellt. Ergänzt wird das Ganze durch neu entstehende Steuerungs- und Betrugsmöglichkeiten. Mal eben aus der Ferne die Kühltruhe ausschalten, den Verbrauch von Geräten verfälschen oder, wie bei VW, den Schadstoffausstoß manipulieren. Daß das Ganze unter Sicherheitsaspekten eine Katastrophe zu werden verspricht, paßt dazu.

Dennoch gieren die Menschen auch nach dieser Infektion.

 

Was tun? Man sollte möglichst wenig dieser Technik nutzen. Und das, was man nutzt, möglichst lang. Man muß darauf bestehen, daß die verwendete Software Freie Software ist. Nur so lassen sich das Sicherheits- und das Überwachungsdesaster eingrenzen. Notwendig dazu ist aber auch Freie Hardware, die fair und nachhaltig produziert wird. Glücklicherweise gibt es da die ersten schwachen Silberstreifen am Horizont. Wer ein Vertreter Freier Software ist, sollte sich energisch (und finanziell) auch für Freie Hardware einsetzen.