Videokonferenzen und verteiltes Lernen

Vergangene Woche fand am Donnerstag das Bildungstreffen der Berlin / Brandenburgischen Unterstützerïnnen der FSFE statt. Offensichtlich haben wir uns dafür nicht wie sonst persönlich getroffen, sondern den Abend genutzt um FreieSoftware Projekte zu testen mit denen man in diesen Zeiten als Gruppe reden kann. Vor dem Hintergrund von Video-Konferenzen aus dem Homeoffice, aber auch vor dem Hintergrund eines virtuellen Klassenraums. Dazu haben wir uns zu acht Jitsi Meet und Big Blue Button angesehen.

Jitsi

Logo des Jitsi Projekts

Den Start haben wir auf dem Jitsi-Meet Server der Freifunker in Hamburg gemacht (vielen Dank für das Betreiben des Dienstes!). Mit uns acht Personen im Chat hatten wir keine Probleme was die Performance anging; selbst bei maximaler Videoqualität. Vor dem Treffen geteiltem Link im Browser geöffnet und los konnte es gehen.

An der linken Seite ein einklappbarer Text-Chat, dominierend im Rest des Browser-Fensters die Video-Streams der einzelnen Teilnehmenden der Konferenz. Einzig direkt am Anfang hatte ich kurz das Problem, dass ich alle die, die nach mir gekommen sind nicht hören konnte… F5 und neu laden der Seite hilft an der Stelle. [Dieses oder ähnliche Problem hatte ich allerdings bei so ziemlich allen Audio-/Video-Konferenz Lösungen im Browser von Zeit zu Zeit mal, das liegt nicht an Jitsi und die Lösung war immer Raum verlassen und wieder betreten]. Anschließend war der Chat aber stabil.

Jitsi bietet neben der Chat Funktionalität noch ein gemeinsames Editieren von Dokumenten in einem Etherpad und das Teilen des Desktop vom Rechner an. Für Menschen die nicht über ihren Desktop Rechner oder das Notebook am Chat teilnehmen wollen gibt es Apps, u.a. für Android z.B. im F-Droid Katalog.

Wenn ihr auf der Suche nach einem Jitsi-Meet Server seit, den ihr für eure Telko verwenden könnt, gibt es z.B. den Dienst jitsi.random-redirect.de der euch auf einen zufällig ausgewählten Server weiter leitet. Oder ihr stöbert mal ein bisschen in der Liste der Server im Wiki des Projekts auf github. Wenn ihr euch einen eigenen Server installieren wollt, denkt eventuell dran, dass Jitsi-Meet in der Grundkonfiguration den STUN Server von Google verwendet.Mike Kuketz beschreibt in seinem Blog wie man die Einstellung einfach ändern kann.

Big Blue Button

Big Blue Button Logo

Als nächstes haben wir uns Big Blue Button auf der Test-Instanz der Cyber4EDU Initiative getestet (auch euch vielen Dank dafür). Betreten des Chats und grundlegende Elemente des Interfaces sind vergleichbar mit dem von Jitsi-Meet. Aber neben den oben genannten Features bietet Big Blue Button noch einige Features die offensichtlich auf die Situation eines Lehrenden und einem Kreis von Zuhörenden abgestimmt ist.

So gehören neben dem Chat noch Moderations-Werkzeuge für den Leitenden des Seminars, ein White-Board (sprich eine Tafel), ein Umfrage-Werkzeug und das Teilen von Dokumenten/Bildern mit den Zuhörenden zu den Funktionen von Big Blue Button. Darüber hinaus kann man den Hauptraum für eine begrenzte Zeit in so genannte Break-Out-Räume verlassen um die Seminar-Gruppe in kleine Arbeitsgruppen aufzuteilen. Nach einer vorgegebenen Zeit geht es dann automatisch zurück in den Hauptraum um die Ergebnisse zu besprechen.

Vor dem Betreten eines Chatraums, und damit auch beim Wechsel zwischen dem Hauptraum und den Break-Off-Räumen, wird die Verbindung mit einem Echo-Test ausgetestet. Erst wenn die eigene Aufnahme hören konnte, kann man den Raum betreten. Das hat zwar den Vorteil, dass die Verbindung getestet ist, aber bei vielen Raumwechseln hat es uns ein wenig genervt. Auch hatten wir in der Testgruppe teilweise das Problem einer wesentlich höheren Systemlast bis hin zu Abstürzen des Rechners.

Das Projekt betreibt einen eigenen Demo Server und Big Blue Button ist bereits in vielen Lernplattform integriert.

Nachtrag (2. April 2020): Über Mastodon hat Daniel Kulesz darauf hingewiesen, dass der wesentliche Unterschied zwischen Jitsi-Meet und Big Blue Button darin besteht, das letzteres einen zentralen (selbst-betreibbaren) Server für die Konferenzen verwendet, während Jitsi auf Peer-to-Peer Techniken setzt,.. Dies ist allerdings nur im Chat von zwei Personen der Fall, danach schaltet auch Jitsi-Meet auf eine s.g. Video-Bridge als zentrale Komponente um. Dadurch entstehen also keine Vor- bzw. Nachteile im Betrieb mit vielen Chat-Teilnehmern.

Andere nützliche Tools

Wer bereits eine NextCloud betreibt um Kalendarien, Kontakte und andere Daten in der eigenen Cloud zu hosten, kann NextCloud Talk (Android App im F-Droid Katalog) verwenden um einfach eine Video-Konferenz zu betreiben. Neben dem Audio-/Video-Chat läuft ähnlich wie bei den beiden obigen Lösungen ein Text-Chat. Um an einer in der NextCloud gehosteten Konferenzschaltung teilnehmen zu können, bedarf es allerdings meines Wissens nach eines bestehenden Accounts auf der Instanz. [Edit: Ich wurde eines besseren belehrt :) danke dafür! Die Option einen Link zu teilen ist nur etwas versteckt.]

Ressourcen schonender als eine Video-Konferenz und sind Audio-Konferenzen. Unter anderem gibt es da das Mumble Projekt (Android App im F-Droid Katalog) mit dem es einfach möglich ist einen eigenen Konferenz-Server selbst zu betreiben. Auch hier werden Zugangsdaten zum Server benötigt die vorher geteilt werden müssen. Mumble kommt ursprünglich aus der Gamer-Szene, aber man kann auch einfach über andere Dinge als Spiele reden. Für Menschen die nicht selbst hosten wollen, gibt es hier eine Liste öffentlicher Server.

Grundsätzlich gilt, nicht alles muss mit eingeschalteter Kamera kommuniziert werden. In den meisten Fällen reicht der Ton. Das spart Bandbreite und dir muss dein Jogging-Anzug und die Unordnung zu Hause nicht peinlich sein. Ja ich weiß, kann man auch mit einem Poster im Hintergrund lösen das Problem… Und schaltet euer Mikro aus, wenn ihr nichts zu sagen habt. Ob jetzt über push-to-talk oder einfach die Stummschalt-Taste, dann stören eure Hintergrundgeräusche nicht die laufende Unterhaltung, und niemand wird auf eure Chips neidisch.

In meiner, zugegeben recht begrenzten, Erfahrung mit proprietären Tele-Konferenzsystemen haben alle FLOSS Projekte eine wesentlich bessere Audio-/Videoqualität bieten können. Verbindungsaussetzer hatte ich mit denen genau so oft oder selten wie auch mit den freien Projekten.

Fazit

Für das, was wir  beim Treffen gemacht haben, also eine einfache Video-Konferenz, fand ich Jitsi-Meet voll und ganz ausreichend. Das Interface ist schön simpel gehalten und es hat einfach funktioniert. Wer eh schon eine eigene NextCloud Instanz betreibt und nur einen kleinen Personenkreis in die Konferenz einladen will, sollte einfach mal  NC Talk ausprobieren.

Für Lehrveranstaltungen im virtuellen Raum scheint Big Blue Button eine schöne Alternative zu sein. Der Echo-Test beim Raumwechsel war etwas nervig, aber dann war die Funktionalität wenigstens getestet. Und das integrierte White-Board war äußerst nützlich.

Links

Hier die Links zu den besprochenen FLOSS Projekten

Und einigen schönen Listen und Anleitungen zu digitalen Konferenzen und Werkzeugsammlungen für HomeOffice und entferntes Lernen:


Die verwendeten Logos sind der Homepage der Projekte entnommen Sollten die Verwendung in diesem Artikel euren Nutzungsbedingungen o.ä. widersprechen, meldet euch bitte bei mir, dann entferne ich sie natürlich umgehend.