Die ganze Zeit habe ich mich geweigert, mir einen dieser tollen Handyverträge mit “Internet” zu holen. Dabei habe ich mit siedendem Neid auf die Menschen geschaut, die sich schon lange so etwas zugelegt hatten und von überall aus Zugriff auf das Netz haben. Das habe ich mir aber nicht anmerken lassen, sondern ihnen lieber erklärt, warum ich das politisch ablehne. Denn schließlich verbieten die meisten dieser Verträge den Zugriff auf bestimmte Dienste wie Voice over IP und Chatseiten. Und das bedeutet für mich den Anfang vom Ende der Netzneutralität. Denn wenn wir uns erst einmal auf diesem Markt darauf eingelassen haben, dass bestimmte Dienste nicht erreichbar sind, dann sind wir auf direktem Wege hier hin. Und das verdient eigentlich nicht Internet genannt zu werden. Deswegen auch oben die Anführungsstriche. Aber darüber wollte ich hier eigentlich gar nicht schreiben.
Sie haben mich jedenfalls jetzt weich gekocht und ich habe mich nun auf die Suche nach einem neuen Handytarif und einem schönen passenden Handy dazu gemacht. Und dabei ist mir aufgefallen, dass das ein Dschungel ist, in dem sich auch die gesottendste Dschungelkämpferin nicht zurecht finden kann.
Während ich so am Internet saß und mich immer mehr über die Unübersichtlichkeit aufregte dämmerte mir mehr und mehr, dass das wahrscheinlich nicht an der Unfähigkeit der Seitenbetreiber liegt, sondern Absicht ist.
Der Kapitalismus verlässt sich auf den Freien Markt. Aber der Wettbewerb kann auch ziemliche Nachteile haben. Zum Beispiel wenn die blöden Kunden merken, dass sie abgezockt werden oder sich gut informieren. Und was ist die Strategie dagegen? Wir machen es so unübersichtlich, dass es dazu einfach keine Chance mehr gibt.
Seriously! Habt ihr mal versucht, euch wirklich fundiert über den Handy-Vertrags-Markt zu informieren? Die Seiten sind so aufgebaut, dass es weder möglich ist, genaueres über den Vertrag, den man im Begriff ist abzuschließen, noch tatsächliche (brauchbare) Informationen über das Handy zu kriegen. Für mich ist zum Beispiel die Software ziemlich entscheidend dafür, ob ich ein Handy gut finde oder nicht. Schließlich entscheidet die ja darüber, was das Handy letztlich kann, und wie benutzerinnenfreundlich es ist. Aber die Software eines Handys kann man nirgendwo ausprobieren. Nicht online und auch nicht im Laden. Denn da haben die ja nur diese Attrappenhandys rumliegen.
Wenn man dann mal ein Handy gefunden hat, was einem gefällt und einen Vertrag gefunden hat, den man für erträglich hält, dann gibt es aber mit Sicherheit nicht beides zusammen. Oder doch? Wenn man bei 7mobile ein bestimmtes Handy (z.B.) das Palm Pre auswählt, bekommt man nur wenige Verträge dazu angeboten. Alle von Vodafone. Andere Verträge scheint es zu diesem Handy nicht zu geben. Und das ist man auch gewillt zu glauben, da es ja meistens so ist, dass man ein bestimmtes Handy nur mit einem bestimmten Vertrag bekommt. Warum das so ist wird nur selten hinterfragt. Eigentlich wäre der Wettbewerb doch viel freier, und fairer und besser zu durchblicken, wenn das nicht so wäre. Oder?
Klickt man sich nun aber auf der gleichen Seite, von der anderen Richtung aus kommend, durch die Verträge und schaut sich an, welche Handys es dazu gibt, stellt man fest: Das Palm Pre gibt es auch mit ganz anderen Verträgen. Ist das nun ein Fehler? Nachdem ich mich stundenlang durch viele andere Seiten gequält habe glaube ich da nicht mehr wirklich dran.
Wäre das nicht mal ein Fall für den Verbraucherschutz? Wie soll denn da noch jemand eine fundierte Kaufentscheidung treffen? Die Produkte sind keineswegs vergleichbar und die Angebote alles andere als durchschaubar.
Ich rief dann mal bei Base an, um mich genauer über deren Internet-Produkt zu informieren. Die zwar freundliche aber total inkompetente Frau der Hotline erklärte mir, dass in der Web-Flat von Base bestimmte Dienste verboten sind, genauso wie die Benutzung des Internets vom Laptop aus. Dafür gäbe es ja die (teurere) Laptop-Flatrate. Mit der dürfe ich sogar voipen (ich mag das Wort nicht). Nach einer kurzen Pause in der Warteschleife teilte sie mir mit, dass Skype (ich verzichtete zu diesem Zeitpunkt bereits darauf, sie darüber aufzuklären, dass Skype nur eine Variante von Voice over IP und noch nicht mal die beste ist) auch mit diesem Tarif verboten sei. Nach meiner Frage nach Deep Packet Inspection musste ich für längere Zeit in die Warteschleife um dann zu erfahren, dass auch die ganzen Kolleginnen und Kollegen bzw. Vorgesetzen davon noch nie etwas gehört hätten. Auf meine Frage, wie sie denn überprüfen, ob ich die verbotenen Seiten denn auch wirklich meide wurde ich wieder in die Warteschleife gehängt um kurze Zeit später zu erfahren, dass sie das an der Verbindungsart erkennen könnten. Aber dabei könnten sie ganz sicher nicht sehen, welche Seiten ich ansurfe oder was in meinen Emails stehe. Nur dass ich was verbotenes tun würde, das könnten sie sehen. In diesem Moment fühlte ich mich ein wenig an den Mythos von den Funkwägen der GEZ erinnert. Denen, die durch die Straßen fahren und erkennen können, wer alles einen Fernseher hat und damit die Menschen, die ihre Rundfunkgebühren nicht bezahlt haben entlarven. Andererseits konnte mir die Frau ja nicht erklären, wie genau sie das rausfinden und da sie mit DPI nichts anfangen konnte, konnte sie mir natürlich auch nicht versichern, dass sie das nicht machen würden. Ich könne mir ja den Vertrag genau durchlesen und von ihm gegebenenfalls innerhalb von 14 Tagen zurück treten.
Viel schlauer war ich auch nach diesem Telefongespräch nicht.
Übrigens auch nicht, nachdem mich E-Plus dann darüber aufklärte, dass die Base Flat keine Dienste verbiete und auch VoIP zulasse. Von DPI hatte auch der nette Angestellte von E-Plus noch nichts gehört.
Es macht aber in jedem Fall Sinn, die Menschen, die einem diese Verträge andrehen wollen mal ein wenig aufzuklären. Meiner Beraterin habe ich (nachdem sie mich fragte, ob ich das mit der Kontrolle nur wissen wolle, damit ich die verbotenen Sachen trotzdem machen könne) dann nochmal erklärt, dass ich Überwachung des Internets in dieser Form politisch ablehne. Und da sie sich mehrmals rückversichern musste, haben auch ein paar andere Leute noch was davon mitbekommen. Ich hatte zwar nicht den Eindruck, dass sie sich mal darüber informieren würde (sie konnte schon während unseres Telefonats den Begriff nicht wiederholen und hat ihn sich sicher nicht lange genug gemerkt, um ihn bei Wikipedia einzugeben), aber wenn genug Menschen nachfragen, kommt es vielleicht mal oben an. Schließlich sind wir in dem Moment ja potentielle Neukundinnen. Der einzige Moment, wo man überhaupt mal von denen ernst genommen wird. Aus diesem Grund sind ja auch die meisten Hotlines für Neukunden kostenfrei (und die Wartezeiten sind komischerweise auch immer wesentlich kürzer). Von daher eine wunderschöne Betätigung für einen regnerischen Nachmittag: “Ich interessiere mich für ihr Angebot und habe nur ein paar kleine Fragen”.
Letztlich ist es aber echt ein Unding, dass gegen diese Art der Verblendung noch nichts unternommen wurde. Ich will gar nicht wissen, wie Menschen, die mit den neuen Medien weniger gut umgehen können, da durchblicken bzw. wie leicht es ist, ihnen das Blaue vom Himmel runter zu erzählen, nachdem man sie so verwirrt hat. Mit Wettbewerb hat das nichts mehr zu tun. Denn der setzt voraus, dass sich die Kundinnen angemessen über die Produkte informieren können. Das ist aber definitiv nicht der Fall.
Wollen wir mal einen gemeinsamen Brief an den Verbraucherschutz schreiben?