Vor einiger Zeit wurde auf der Landesmitgliederkonferenz der Berliner Piratenpartei ein neues Netzwerk speziell für Frauen unter dem Motto “Klarmachen zum Gendern” gegründet. In der dazugehörigen privaten Pressemitteilung ist von einem Schutzraum die Rede, “in dem auch die leisen Stimmen unter den Frauen Gehör finden”. Eigentlich sollte es keinen überraschen, dass es für Frauen in einem von Männern dominierten Umfeld, wie der Piratenpartei, zu Schwierigkeiten kommen kann. Ob es nun gleich einen Schutzraum braucht, um diese Schwierigkeiten zu thematisieren, hätte diskutiert werden können.
Mittlerweile aber wissen wir, dass es durchaus einen solchen Schutzraum braucht. Bewiesen haben das ausgerechnet die Gegner dieser Idee. Schon kurz nach der Ankündigung wurde die Seite der Piratinnen im Wiki der Piratenpartei gelöscht. Es folgte eine Löschdiskussion ganz nach dem Vorbild der Wikipedia. Nachdem man sich gegen eine Löschung entschieden hatte, setzte eine große Diskussion auf der Seite ein. Die männlichen aber auch weiblichen Gegner reagierten sehr emotionalisiert. Man fühlte sich wohl angegriffen. Viele Männer waren der Ansicht man würde ihnen falsches Verhalten vorwerfen. Viele Frauen glaubten, dass man für alle von ihnen sprechen wolle und der geforderte Schutzraum auch für sie notwendig sein solle. Eine geschlossene nichtöffentliche Liste verstoße außerdem gegen das Transparenzgebot der Piraten, meinten diejenigen, die noch nicht verstehen, dass Transparenz nicht immer und überall sinnvoll ist. Die verschickte private Pressemitteilung habe die Presse vom Parteitag abgelenkt und hätte für eine offizielle Pressemitteilung gehalten werden können, so ein anderes Argument. Es hagelte und hagelt zu allem von allen Seiten Kritik. Im Wiki wurde sogar eine Liste der Gegner geführt. Von parteischädigendem Verhalten, Satzungsverstoß und Parteiausschluss war die Rede. Von offizieller Seite kommt keine Unterstützung, stattdessen auch Anfeindungen via Twitter.
Mittlerweile wurde die Initiatorin der Piratinnen sogar vom Berliner Landesvorstand offiziell verwarnt. In der Begründung heißt es unter anderem:
Der Vorstand der Piratenpartei Deutschland Berlin fordert das Mitglied Lena Simon auf, ihre politischen Ideen in Zukunft offen innerhalb der Strukturen der Piratenpartei zu entwickeln.
Dabei liegt, gerade in Anbetracht der heftigen Reaktionen auf Lenas Vorstoß, die Vermutung sehr nahe, dass das eben bisher nicht möglich war. Der große Widerstand zeigt, dass es das auch jetzt immer noch nicht ist. Wenn man nach dem Vortragen seiner Ideen von einer großen Übermacht Männer in Grund und Boden geredet wird, trägt man diese Ideen oder Meinungen vielleicht besser woanders vor oder thematisiert sie gar nicht mehr.
Die Art und Weise wie die Diskussion geführt wird ist nicht nur peinlich sondern verabscheuenswert. In einem mittlerweile gesperrten Blogeintrag “Lena und ihre Häkelgruppe” schrieb jemand
Es bleibt abzuwarten, dass die Domain irgendwann auf ein ein eigenes Blog führt, der einen geschützen Bereich nur für Frauen hat, zu dem man sich nur mit Menstruationsblut anmelden kann.[…]
So bleibt für den außenstehenden männlichen Piraten nur zu vermuten, dass es sich hier um das Pendent zur Fußballgruppe eines Betriebsrates handelt, bei dem auch keine Frauen in die Umkleide gehören – sprich: die Piraten Häkelgruppe. Bei Kaffee und Schnittchen.
Ähnliche Aussagen finden sich auf diversen Blogs und auf Twitter. Die ganze Berichterstattung und Meinungsäußerung zum Thema kann auf einer speziellen Wikiseite der Piraten und auf piratinnen.org verfolgt werden. Ich denke, es bedarf einer wesentlich sachlicheren und auch informierteren Diskussion. Bei diesem Thema denken leider alle, sie könnten qualifiziert mitreden, nur weil auch sie ein Geschlecht besitzen.
Die wohl am häufigsten vertretene Meinung ist, dass es für Frauen gar keine Schwierigkeiten gibt. Die Piratenpartei selbst sei Post-Gender, weil sie offiziell nicht nach Geschlecht frage und unterscheide. Auf die Idee, dass es für einige Frauen eben doch Schwierigkeiten geben könnte kommt leider kaum jemand.
“Die größte Gefahr für die Gleichberechtigung ist der Mythos, wir hätten sie schon.” (Grethe Nestor)
Mittlerweile ist es stiller geworden und Lena hat sich bei den Piraten etwas zurückgezogen. Sie engagiert sich nun neben den Piratinnen noch für ein breiter aufgestelltes Netzwerk von Frauen in der Netzpolitik.