Wie man sich in Belfast als Tourist zu erkennen gibt (aka Unterschiede DE – NI Nr. 1)

Es gibt verschiedene Wege sich als Tourist zu outen. Gerade in Belfast ist es aber sehr einfach sich als nicht-einheimischer zu erkennen zu geben. Gerade als Deutscher….

Sache Nr. 1 – Die Ampeln

Im Zuge unseres Auslandsaufenhalts hatten wir in Berlin mehrere Trainings. Bei einem dieser Trainings meinte ein Trainer von der Elfenbeinküste, dass die Deutschen schon fast mit pseudo-religösen Eifer die Ampeln respektieren. Wenn man nachts auf einer Landstrasse stehe und weit und breit kein Auto zu sehen ist, dann geht der Deutsche trotzdem nicht bei Rot über die Strasse. Wir haben bisher keine Landstrasse in der Nacht gefunden….

Trotzdem wurde dieses Klischee auch in der Stadt bestätigt. Als Tourist bist du wirklich der Einzigste, der an Ampeln stehen bleibt. Ja der Einzigste. Ich weiss, dass es grammatikalisch falsch ist, aber wenn sogar Polizisten mit dir einfach bei Rot über die Ampel gehen, dann darf man auch mal die Regeln der deutschen Gramatik biegen und brechen.

Sache Nr. 2 – Zeige dein Ticket im Zug

In Berlin ist es ein automatischer Reflex, sobald man jemanden sieht der auch nur ein dunkleres Blau anhat und schlecht gelaunt aussieht, sein Ticket rauszuholen und dieser Person zu zeigen. Es könnte ja sein, dass diese Person ein Kontrolleur der BVG ist und dann ist man besser zu schnell und voreilig als zulangsam

Sollte man das nämlich nicht machen, dann wird man erstmal angeschnauzt. Der Mann / die Frau von der BVG hat nämlich den schlimmsten Job der Welt und bekommt dafür keinerlei Dank. Deswegen sind sie immer schlecht gelaunt und lassen ihre schlechte Laune gerne an den Fahrgästen aus. Gott habe mit deiner Seele gnade, wenn du auch nur 3 Sekunden brauchst um den Fahrschein rauszuholen. Wobei wahrscheinlich auch Gott machtlos ist gegen den Zorn und die Unfreundlichkeit eines Angestellten der BVG…..

Anders in Belfast.

Wenn man hier mit dem Zug fährt, dann sind die Schaffner gut gelaunt; immer fröhlich und freundlich. Wenn sich mal einer entschuldigt, dann ist es eher der Schaffner.

An unserem ersten Tag als wir von der Arbeit wieder nach Belfast fahren wollten, stiegen wir in den Zug ein. Der Schaffner kam auch vorbei. Wir sagten ihm, dass wir zwei Tickets braeuchten. Von Cultra nach Belfast Botanic.

Er überlegte. „Naja das is dann…..5,10 Pfund….nee wartet mal….ihr wollt doch nen Tagesticket?“

Max: „Nee, nee. Einfach nur nen One-Way Ticket, kein Tages-Ticket.“

Schaffner: „Ohh sorry, sorry, tut mir voll leid. Tschuldigung Tschuldigung. Naja dann is 3,50. zwei, dass sind ja dann….8 Pfund “

Max: „Sind das nicht 7?“ (Max gibt ihm nen 10er)

Schaffner: „Ja stimmt, haste recht. Sorry, mein Fehler.“ (Schaffner beginnt die Tickets zu drucken)

Mein Brodine (weiblicher Bro bzw. Kumpel) aus Berlin fragt den Schaffner nach Möglichkeiten von Belfast aus nach Dublin zu kommen. Der Schaffner gibt mir die Tickets und nimmt sich Zeit ihre Frage zu beantworten. Danach guckt er auf sein Gerät. Keine Tickets drin. Er guckt verdutzt.

Schaffner: „Hab ich euch schon die Tickets gegeben?“

Max: „Jo haste. Kannste uns das Wechselgeld geben?“

Schaffner: „Hab ich das noch nicht? Tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid.“

Wie immer füge ich nun mal den Satz an „Man stelle sich das in Berlin vor.“

Der arme Schaffner ist vor Scham im Boden versunken, weil das Ganze 3 Minuten gedauert hat und er so verplant war. Eigentlich hatte es noch gefehlt, dass er uns als Wiedergutmachung ne Schachtel Pralinen schenkt….

Eine weitere Eigenschaft der Schaffner in „Norn Iron“ ist das Vertrauen in die Fahrgäste. Natürlich kommen die Schaffner auch durch den Zug. Wozu? Um das Ticket zu kontrollieren? Falsch!

Die Worte sind nicht etwa: „Jemand ohne gültigen Fahrschein unterwegs?“ oder „Fährt hier jemand schwarz?“ auch nicht sowas wie „Die Fahrscheine bitte!“.

Nein, man wird höflich gefragt, ob man noch ein Ticket braucht.

Die ersten Male haben wir dann immer unser Ticket rausgeholt und es brav vorgezeigt… und dabei einfach vor lauter Panik nicht gehört, dass der Schaffner dann schon immer meinte „Nee, nee, is okay, is okay, müsst ihr mir nicht zeigen.“

Ja ganz recht. Die Schaffner glauben einem.

Mittlerweile sagen wir auch einfach nur: „Nee, danke, wir haben nen Ticket.“

In Berlin würde man aus dem Zug geworfen werden. In Belfast und Umgebung wünschen einem die Schaffner noch nen schönen Tag und ne gute Fahrt.

Sache Nr. 3 – Die Regensachen

Wenn es regnet, dann holt der Deutsche seine Regensachen raus.

Mehr muss ich eigentlich nicht mehr schreiben.

Der Nord-Ire macht das nicht. Nieselregen oder Sinnflut – ist nur Wasser, mehr nicht, da sollte man sich keinen Stress machen. Apropro Stress…..

Sache Nr. 4 – Wirke gehetzt

Wie bereits erwähnt bringt die Menschen hier nix aus der Ruhe.

Gerade in unserem Arbeitsalltag merken wir das immer wieder. Aber das ist ein anderer Post, der wohl eher am Ende kommen wird.

Ein Erlebnis was wir jedoch hatten und welches schwer zu beschreiben ist, ist „die Frau“. Wir kennen leider ihren Namen nicht, wissen aber, dass sie in der Finanzabteilung hier in Cultra arbeitet. Diese stieg mit uns immer 8:20 Uhr aus dem Zug nach Bangor in Cultra aus. Mal war sie vor uns, mal war sie hinter uns. Immer schlenderte Sie gemütlich an uns vorbei. Immer, wenn sie vor uns um die Ecke bog (vielleicht 2m vor uns) war Sie danach (als wir um die Ecke bogen) 5m vor uns. Wenn wir sie danach aus den Augen verloren und dann wieder fanden war sie schon fast gar nicht mehr zu erkennen. So weit ich es beurteilen kann, hat sie weder technische Hilfsmittel benutzt, noch ihr Schrittverhalten geändert. Nord-Iren wirken einfach nicht gestresst. Niemals.

Sache Nr. 5 – Immer schön sachlich bleiben

Sei es nun bei der Arbeit oder bei der Fahrkratenverkäuferin im Touristen-Zenter: konzentriere dich nur auf die Arbeit und die Leute wissen sofort „Das ist kein Nord-Ire“.

Für die Nord-Iren gehört das Persönliche einfach dazu. Natürlich könnte man einfach beim IT-Support anrufen und das Problem schildern, aber das macht man nicht. Da wird erstmal Smalltalk gemacht.

Du bist neu hier oder? Ach Praktikant? Cool. Wo kommsten her? Ach Deutschland? Is ja geil. Meine Frau kommt aus Deutschland. Wir sind die deutsch-irische Familie aus Newten-Abbey. Mein Sohn is grosser Fussball-Fan…..“

Dann gibt es erstmal einen Exkurs. Über seine Familie. Über die Verwandten in Deutschland. Über die Onkels und Tanten in Boston und den deutschen Schäferhund.

Die meiste Zeit ist man danach Junior-Botschafter und vertritt sein Land so gut es geht. Da das meiste auch eher Geographie („Ist Bayern Schwarzwald?“) oder Wirtschaft / Tourismus ist („Mein Vater hat so vom Oktober-Fest geschwärmt – sollte man da noch hin?“) und nicht so sehr Politik, kann man Deutschland auch mit gutem Gewissen vertreten.

Auch was einem so erzählt wird in Sachen Hitler-Vergleichen oder sonstigen Bezügen auf Nazi-Deutschland im Ausland kann ich nur positives Berichten.

Wir hatten bisher nur eine Gruppe von älteren Herren, die prompt die dritte Strophe der Nationalhymme gesungen haben. Jedoch haben sie das auch nur einmal gemacht um uns zu ärgern und waren eigentlich auch sehr einsichtig, als ich ihnen sagte, dass das in Deutschland verboten ist.

Ansonsten mögen uns die Leute in Nord-Irland. Ein Eisverkäufer spendierte uns sogar eine extra-Kugel, weil sein Vater immernoch vom Oktoberfest vor 30 Jahren schwärmt und das Maß wohl als heiligste Reliquie behandelt. Er war zwar noch nie da und hat auch verstanden, dass wir nicht aus München sondern Berlin kommen, aber trotzdem bestand er auf der Extra-Kugel. Na da sag ich doch nicht nein….

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