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Neues Urteil zur GPLv3

Im letzten Jahr habe ich in der Jubiläumsausgabe des Linux-Magazins einen Aufsatz zum Thema zwanzig Jahre Rechtsgeschichte rund um Freie Software in Deutschland unter dem Titel “Recht und Freiheit” veröffentlicht. Dieser ist seit einiger Zeit auch online lesbar.

Doch die Rechtsentwicklung steht nicht still.

Jüngst hatte sich das Landgericht Halle in einem Urteil vom 27.07.2015 (4 O 133/15) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes mit der Wiederholungsgefahr bei einem Verstoß gegen GPLv3 befassen müssen.

Die Verfügungsbeklagte, eine Hochschule, stellte eine entsprechende lizensierte Software auf ihrer Homepage seit dem Jahre 2010 ihren Mitarbeitern und Studierenden zum Herunterladen zur Verfügung, ohne jedoch dem betreffenden Nutzer vor dem Herunterladen des Programms zugleich den Lizenztext zur Kenntnis zu geben und ohne ihm den vollständigen korrespondierenden Quellcode lizenzgebührenfrei zugänglich zu machen oder auf einem üblichen Datenträger zu die Herstellung der Kopie nicht übersteigenden Kosten zur Verfügung zu stellen.

So weit, so schlecht. Aber das ist eigentlich reparierbar.

Schriftlich wurde dann die lizenzwidrige Verwendung des Programms beanstandet und vom Rektor der Hochschule Auskunft über die bisherige Nutzung der Software gefordert, sowie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verlangt. Dies aber lehnte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben ihres Kanzlers ab, sodass eine gerichtliche Klärung notwendig wurde.

Die Verfügungsbeklagte machte vor Gericht geltend, in Ziffer 8 Abs. 3 de GPLv3 sei doch geregelt, dass die Lizenz nach einem erstmaligen Verstoß permanent wieder hergestellt werde, wenn die Verletzung innerhalb von dreißig Tagen ab dem Eingang des Hinweises des Urheberrechtsinhabers auf den Verstoß eingestellt werde. Dies sei hier der Fall gewesen, da die streitgegenständliche Software nach Bekanntwerden des Abmahnschreibens fristgerecht von der Homepage der Hochschule genommen worden sei. Vor diesem Hintergrund mache der geltend gemachte Unterlassungsanspruch keinen Sinn und sei treuwidrig.

Dieser interessanten Rechtsauffassung folgte das Gericht erfreulicherweise nicht.

Es bezog sich zunächst auf die höchstrichterliche Rechtsprechung nach der zum Beispiel weder die Betriebseinstellung oder Umstellung der Produktion auf eine andere Ware noch die rechtsverbindliche Erklärung des Verletzers, er werde Zuwiderhandlungen künftig unterlassen, die Wiederholungsgefahr beseitigen. Das Gericht erkannte unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, dass die Herausnahme der streitgegenständlichen Software von der Homepage der Verfügungsbeklagten wie auch die Erklärung des Kanzlers, es sei eine strategische Anweisung der Verfügungsbeklagten gewesen, die streitgegenständliche Software vom Netz zu nehmen und künftig nicht mehr zu verwenden, nicht ausreichend waren, die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Denn während die Herausnahme der Software lediglich einen tatsächlichen Vorgang darstelle, den die Verfügungsbeklagte jederzeit rückgängig machen könnte, fehle es der Erklärung des Kanzlers der Verfügungsbeklagten an der nötigen rechtlichen Absicherung, die nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung seitens der Verfügungsbeklagten möglich sei.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten stehe dem geltend gemachten Anspruch auch Ziffer 8 Abs. 3 der GPLv3 nicht entgegen. Denn durch diese Regelung werde dem erstmaligen Verletzer zwar die weitere Nutzung der Lizenz eingeräumt, wenn dieser die Verletzung innerhalb von dreißig Tagen nach dem Eingang eines entsprechenden Hinweises einstellt. Diese Einräumung des Rechts der weiteren Nutzung der Lizenz sei jedoch nicht dahingehend auszulegen, dass der Lizenzgeber damit zugleich auch auf seinen Rechtsanspruch auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch den (Erst-)Verletzer verzichten wollte. Denn auch wenn der Lizenzgeber dem Verletzer insoweit eine „zweite Chance“ auf Nutzung der Lizenz gebe, so habe er doch andererseits ein schützenswertes Interesse daran, bereits nach dem ersten Rechtsverstoß weiteren Rechtsverstößen nachhaltig vorzubeugen.

Wäre die durch die Verfügungsbeklagte vorgenommene Auslegung richtig, so käme dies einer Einladung an jeden Lizenznehmer gleich, gegen die Lizenzbedingungen zu verstoßen im sicheren Wissen, dass er erst beim zweiten entdeckten Verstoß mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung oder gerichtlichen Verurteilung zur Unterlassung rechnen müsste. Bei interessensgerechter Auslegung von Ziffer 8 Abs. 3 der GPLv3 stelle sich daher weder die vorprozessual erfolgte Abmahnung der Verfügungsbeklagten noch die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als sinnlos oder treuwidrig dar.

Die Hochschule konnte also den Folgen ihrer Lizenzverletzung weder durch Rabulistik, noch dadurch entgehen, dass sie die Software künftig ihren Mitarbeitern und Studierenden nicht mehr zum Download anbieten wollte.

Allerdings könnten “Bedenkenträger” aus diesem Urteil falsche Schlüsse herleiten. Die Bedingungen der GPLv3 sind klar und eigentlich auch, sofern man einen Lizenzvertrag ernst nimmt und sich um rechtstreues Verhalten bemüht, vom Lizenznehmer einfach zu erfüllen. Da fordern die Lizenzbedingungen, unter denen manche propritäre Software vertrieben wird, ein weit höheres Maß an Aufmerksamkeit und Sorgfalt.