Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,

ich beschäftige mich beruflich bei der Free Softare Foundation Europe e.V. mit der Frage, wie Software unsere Gesellschaft beeinflusst und wie wir sicherstellen können, dass die Anwender die Kontrolle über ihre Computer haben.

Hierzu hat es mich gefreut, dass Sie bereits auf im Impressum ihrer Webseite und in ihrem Blog-Eintrag auf Freie Software hinweisen. Sie haben im Auswärtigen Amt gezeigt, wie eine weltweit verteilte Behörde mit Freier Software betrieben werden kann. Schade, dass ihr Grußwort zum ersten internationalen ODF-Workshop im Auswärtigen Amt nicht mehr online verfügbar ist. Dort haben Sie sehr gut klargemacht, warum Offene Standards für unsere Wirtschaft wichtig sind. Vielleicht können Sie dies wieder online stellen? Meine Frage für den wirtschaftlichen Bereich:

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass in der Bundesverwaltung die Nutzung Freier Software und Offener Standards zur Regel gemacht wird? Und wie wollen Sie dies umsetzen? Freie Software bietet extrem niedrige Einstiegshürden für die kleinen und mittleren Unternehmen. Werden Sie sich für Freie Software Unternehmen, wie sie sich z.B. im Linuxverband zusammengeschlossen haben, stark machen?

Neben dieser wirtschaftlichen Bedeutung möchte ich Sie jedoch zu den gesellschaftlichen Aspekten von Freier Software fragen. Ihr ehmaliger Kollege und Chef Gerhard Schröder hat 2000 einen interessanten Artikel geschrieben. Dort schrieb er: "Nicht der Zugang zur Hardware ist das Problem, sondern das Beherrschen der Software." Des Weiteren schreibt er zu Freier Software: "Dieses Zur-Verfügung-Stellen des "Quellcodes" halte ich auch gesellschaftlich für eine ausgezeichnete Metapher. Die Zivilgesellschaft lebt also [...] auch von der tendenziellen Abschaffung des Herrschaftswissens."

Stimmen Sie diesen Aussagen zu? Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Bürger ihre Software selbst kontrollieren? Bei unfreier Software ist das Wissen über den Aufbau und die Funktionsweise von Software immer in der Hand von wenigen. Wie wollen Sie Staat und Bürgern helfen, die Kontrolle über jene Software zu erhalten, die ihre Arbeit und ihre Kommunikation bestimmt?

Es würde mich freuen, wenn Sie mir meine Fragen beantworten können. Ich würde diese dann gerne anderen Menschen verfügbar machen, die an Freier Software interessiert sind.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Kirschner

1. Gerhard Schröder "Die zivile Bürgergesellschaft. Anregungen zu einer Neubstimmung der Aufgaben von Staat und Gesellschaft, Die Neue Gesellschaft" in Frankfurter Hefte 47(4), S. 200–207 (leider wegen Webseitenumbau nicht mehr online verfügbar)

PS: Den zweiten Absatz, musste ich bei Abgeordnetenwatch leider streichen, da ich sonst die Maximallänge überschritten hätte.